Kolumne

Arbeit macht frei?

Ausschwitz
Ein Spruch, der von den Nazis während der NS-Zeit missbraucht wurde.

So stand es einst auf blechernen Schildern über Eingängen deutscher Konzentrationslager. Den grausamen Aspekt dieser Geschichte dürfte wohl jedem klar sein und braucht daher an dieser Stelle nicht wiederholt zu werden. Betrachtet man diesen Spruch unabhängig seiner einstigen Vergangenheit, hört er sich in keinster Weise merkwürdig, sondern in der Tat recht sinnvoll an. Wer arbeitet, verdient sein Geld, um so zu leben wie er will oder es sich eben leisten kann. Arbeit als solche stellt in diesem Zusammenhang eine Möglichkeit dar seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Wir arbeiten, um zu leben.

Doch ab wann fängt man an zu leben, um zu arbeiten? Wir alle kennen diese gestressten Augenpaare, die einem regelmäßig auf den Straßen begegnen und beinahe umrennen, weil irgendwo irgendeine wichtige Besprechung auf diese wartet. Wo die Lebensfreude nicht mehr spürbar ist, da hat die Arbeit unfrei gemacht. Der schmale Grad zwischen Arbeit und Sklaverei ist Schuld daran, dass viele Menschen irgendwann auf die falsche Seite landen. Und je mehr sich dieser Entwicklung anschließen, umso schlimmer wird es für die verbliebenen Freigeister, sich beruflich zu entwickeln. Neid und Mißgunst treffen nicht umsonst den, der am wenigsten zu klagen hat.

„Schon wieder Überstunden“, „Ach, ich kann nicht mehr“, „Obwohl ich krank bin, bin ich heut zur Arbeit gekommen“, alles Sätze, die nur einem Zweck dienen: Die Aufmerksamkeit auf die scheinbar faulen Kollegen zu lenken, die sich trotz des ganzen Stresses noch ein Lächeln bewahrt haben. Kurzfristig gesehen mag diese Einstellung nicht dem Unternehmergeist der heutigen Bosse wiedersprechen, die es gewohnt sind durch Ausbeutung ihren Umsatz zu steigern. Aber langfristig wird auch der treueste Sklave einem gesundheitlichen Leiden erlegen, wenn die gebeutelte Psyche Krankheit oder Depression verfällt. Und für Nicht-Atheisten sei gesagt: Negative Energie führt auf Dauer zu nichts gutem. Hingegen wird ein Unternehmen, das fähige und glückliche Menschen beschäftigt Erfolg haben.

Das mag kein wissenschaftlich untersuchter Fakt sein, doch entspricht es meiner persönlichen Überzeugung. Positive Energie zieht gute Ereignisse an. Früher oder später wird sich der Einsatz einer Firma für seine Mitarbeiter lohnen.

Abgesehen davon gibt es noch eine andere Perspektive, die vielen Menschen heutzutage abhanden gekommen ist. Man ist mehr, als was man arbeitet. Über-Identifikation mit der beruflichen Tätigkeit mag die Sinnlosigkeit und Leere im Inneren nur scheinbar ausfüllen. Hobbies scheinen nicht mehr in Zeiten von Überstunden in Mode zu sein. Dass der finanzielle Vorteil dabei keineswegs im Vordergrund steht, sieht man vor allem bei Familien, in denen beide Eltern Vollzeit arbeiten und die Kinder nur am Wochenende sehen. Man hat im Grunde alles, was man benötigt. Zwei Autos, Häuschen, Familienurlaube, alles ist im gesunden Maße vorhanden, doch ein gemeinsames Zusammenhocken einfach nur so befriedigt keinen.

Die meisten arbeiten schon lange nicht mehr, um mehr Geld zu verdienen. Das ist lediglich eine Ausrede, um ein plausibles Argument parat zu haben. Ich arbeite und ich mag meine Tätigkeit. Aber ich gehe weiterhin meinen kreativen Hobbies nach, die mich im Inneren bewegen. Würde ich im Lotto gewinnen, würde ich vermutlich nur noch arbeiten, wenn ich wirklich Lust dazu hätte. Ich kann mich sehr gut beschäftigen ohne dabei etwas zu tun, das von anderen als wirkliche Arbeit aufgefasst werden könnte. Um für die kleinen Dinge dankbar zu sein und wirklich genießen zu können, gibt es kein Studium. Das ist eine Fähigkeit, die jedem als Kind innegewohnt hat und leider im Laufe der evolutionären Profession verschwunden ist.

Letztens hat mich jemand gefragt, was ich beruflich mache. Ich hatte das Gefühl, das diese Person es verdient die Welt mal von einem anderen Standpunkt aus zu betrachten:
“Ich? Ich tue gar nix. Und ich bin stolz darauf total unnütz für die Arbeitswelt zu sein.“

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Klaudija Paunovic

Hier schreibe ich mit Herzblut über alle Themen, die mich interessieren. Schon als Jugendliche schrieb ich für die Schülerzeitung. Es folgte die freie Mitarbeit bei Tageszeitungen wie Express und Rheinische Post. Und auch heute noch fröhne ich meiner Schreibleidenschaft auf diesem Blog. Wenn du mehr über mich erfahren möchtest, gibt es hier noch mehr Infos: »Mehr über mich«

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