Kolumne

Aus der Zauber

Weihnachten Stadt
Kitsch, Kommerz oder Quatsch? Die Weihnachtsbeleuchtung ist auf der einen Seite schön. kann aber auch ganz schön nerven.

Vorbei die funkelnde Arkade harmoniebedürftiger Menschen, die an einem normalen Tag, inklusive Regen und Dreck auf den Straßen, ein Fest der Liebe begehen wollen. Schon seit Tagen stechen einem die grellen, ähnlich einer Fluglandebahn ausstaffierten Fenster ins Auge, die zwingen den Tatsachen ins Auge zu sehen. Bald ist Weihnachten…

Wann genau hat sich dieser Tag der Blasiertheit in meine Gedanken geschlichen? Ich weiß es nicht mehr – er kam so unschuldig, so sacht daher, daß man die Schwere und Süße kaum wahrnahm. Der Schock holte mich an einem Sonntag ein, an dem meine neue Nachbarin und ich die Kö erkunden wollten. Kaum hatten wir Schokobons, Lebkuchenherzen und ähnlich gut schmeckenden Schnickschnack nachgeschmissen bekommen, kam mir in den Sinn, daß sowas an normalen Tagen ja nicht passiert- Gratulation! Wir machten eine Wendung und klapperten all die kostenlosen Stände aufs Neue ab, um sich jetzt mit verändertem Bewußtsein „Wow, das gibts nur zu Weihnachten!“ dem Genuß widmen zu können. Beruhigt durch die Leckereien, fielen mir die Menschenmassen erst nach einigen Augenblicken auf: Ein gestresster Herr im Anzug verurteilte, verursacht durch einen heftigen Schubs, eines meiner Marzipanbonbons zum ewigen Dahinsiechen auf den Pflastern Düsseldorfs ohne je eines Menschen Mundhöhle gewahr zu werden. Eventuell würde es sogar in der Nacht von den erbarmungslosen Klauen eines Straßenreinigers heimgesucht werden, um im Anschluss auf einem übelriechenden Müllberg seinem Ende entgegen zu fiebern. Im günstigeren Fall dürfte es einem schlechter situierten Menschen einen kleinen Nachtisch darstellen, aber seien wir ehrlich, das hat in Deutschland schon lange niemand mehr nötig. Ich konnte mich nicht weiter mit dem Schicksal des sicherlich hervorragend schmeckenden Marzipans beschäftigen, denn ich machte Bekanntschaft mit der animalischen Kraft, die Tausende von konforme kleine Klone dazu zwingt sich demselben Spiel auszusetzen:

Es gilt seinen Liebsten all das zu schenken, was man ihnen das ganze Jahr vorgehalten hat. Materialismus versus Liebesentzug. Bestimmt liegt es nicht am nötigen Kleingeld, das ich mich dieses Jahr nicht auf den Rummel der bürgerlichen Allüren einlasse, denn notfalls kann man immer etwas basteln – ganz zu Mutter´s Entzücken und Vater´s vorwurfsvollem Blick, der ausdrückt “ Na, warte, das nächste Mal kriegst du auch statt einer Stereoanlage, ein handgemaltes Bild davon“. Vielleicht liegt es einfach daran, daß ich die letzten beiden Jahre im Ausland die Weihnachtszeit verbringen durfte und damit von dem Megaevent abgelenkt war.

Nichts desto trotz bin ich noch fähig den Zauber in all den liebgemeinten, aber oberflächlich klingenden Worten zu spüren. Kontroverser Weise freue ich mich über jeden noch so dämlich klingenden Spruch und muss mich geradezu zwingen den Grad der Freundschaft nicht von der Anzahl der Glückwünsche abhängig zu machen. Denn wer sich einmal als Freund in das Herz anderer gestohlen hat, der sollte auch drin bleiben. Schließlich bedeutet manch einem die Tatsache „Freund“ genannt zu werden noch tatsächlich etwas. Da kann so ein simples „Merry Xmas“ nicht viel dran ändern. Aber vielleicht schütze ich mich durch diese ablehnende Haltung nur davor, am nächsten Tag die 4 Etagen von meiner kleinen Wohnung aus hinabzusteigen, um den Kerzenständer, das doppelt vorhandene Buch, die Glückwunschkarten, aufgebrauchte Gutscheine und grünglänzende Alufolien der Süßigkeiten in den Müll zu werfen.

Obwohl manchmal ist auch was dabei, was sich locker an den nächsten Glückspilz, der so gerade Geburtstag feiert, verscherbeln lässt. Kein Weihnachtsfest, an dem nicht die ganze Palette von Takko bis Urban endlich einen Sinn macht – immerhin hat man an einen gedacht, oder doch nicht? Will man bloß den Schein der Freundschaft mit Schund bewahren, um nicht Weihnachten kindlichen Konflikten ausgeliefert zu sein? Da ich kein Geschenk außer zwei noch übrig gebliebenen Lebkuchenherzen mit der Megapassenden Aufschrift „Sevens“ besitze (Nachtrag: Werbegeschenk von der Galerie Sevens auf der Kö), wird die Reaktion meiner Lieben sicherlich nicht den eigentlichen Grund des Festes zu erkennen geben. Denn was wirklich zählt, sind die vielen kleinen Momente im Laufe eines Jahres, in denen sich die Gedanken wahrer Liebe wie durch einen Zauber verbreiten und den Kern der wahren Freundschaft ausmachen.

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Klaudija Paunovic

Hier schreibe ich mit Herzblut über alle Themen, die mich interessieren. Schon als Jugendliche schrieb ich für die Schülerzeitung. Es folgte die freie Mitarbeit bei Tageszeitungen wie Express und Rheinische Post. Und auch heute noch fröhne ich meiner Schreibleidenschaft auf diesem Blog. Wenn du mehr über mich erfahren möchtest, gibt es hier noch mehr Infos: »Mehr über mich«

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