Kolumne

Mein Bikelein

Als ich vor einigen Jahren in Kevelaer auf das Gymnasium ging, war mein einziges Verkehrsmittel ein Rad gewesen. Überhaupt gab es keine andere Möglichkeit der Fortbewegung, wenn man weder Führerschein hatte noch auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgreifen konnte, weil nicht vorhanden. Deshalb erschien es mir als eine der natürlichsten Sachen der Welt mit der Fitz ( Dorfslang für Rad) zu fahren, so wie es alle in meiner Umgebung taten.

Vor einem Jahr jedoch bin ich in die Großstadt gezogen und seitdem wird mir täglich der damalige Trugschluß vor Augen gehalten. Hier ist es etwas Besonderes, wenn ein Zweirad inmitten der vielen Straßenspuren auftaucht. Dementsprechend hoch ist das Risiko sowohl bei Tag als auch Nacht nicht richtig von den anderen Verkehrsteilnehmern wahrgenommen zu werden.

Hinzu kommen unzählige Straßenbahnspuren, deren Tücke darin besteht einem unerwartet die Reifen einzuklemmen. Trotz all dieser Nachteile benutze ich nach wie vor diese ökologisch sinnvolle Art der Fortbewegung. Wohlgemerkt handelt es sich um dasselbe Rad wie damals.

Nun ist mir eines Tages aufgefallen, als weder Motorroller, noch Straßenbahn von mir genutzt werden konnten (ersteres befand sich in Werkstatt, für zweiteres besaß ich kein Ticket), wie klasse es ist, die Möglichkeit zu haben schnell vorbei am Stau und Chaos ins Zentrum der Stadt zu gelangen- ganz ohne Parkplatzprobleme.

Zum ersten Mal schien ich mein Bike richtig wahrzunehmen. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, erinnerte ich mich daran, wie sehr die Lackfarben des Metallrahmens einst im Sonnenlicht auf dem Weg zur Schule geglänzt haben. Es ist ein wahrhaft schönes und aufwendig verarbeitetes Modell der famosen Gazelle-Räder gewesen.

Mittlerweile hat die Witterung ihre Spuren in Form von Rost in dem dunkelblauen Stahl hinterlassen. Das Körbchen hängt vorne traurig an zwei losen Schrauben und sieht seinem Ende entgegen. Ebenso fehlt ein Teil des Blechschutzes, sowie der Lampen. Als Fahrtüchtig kann man es deswegen nur noch im weiteren Sinne betrachten. Und so passierte es also eines Tages, daß ich mir bewußt wurde, welch Luxus sich da stets vor meiner Tür verborgen hatte.

Leider vermochte ich seinen Wert erst schätzen zu lernen, nachdem es bereits dermaßen in die Jahren gekommen ist. Warum braucht man manchmal soviel Zeit, um zu erkennen, wen oder was man hat?

Ich erinnere mich nun an Unfälle, Reifenpannen und mutwillige Beschädigungen anderer, die mich einst ob der unnötigen Geldverschwendung aufgeregt haben und in mir heute ein aufrichtiges gefühl der Trauer auszulösen vermögen. In gewisser Weise bin ich von meiner „Fitzie“ ein bisschen abhängig geworden.

Deswegen habe ich ihr ein Sicherheitsschloß gekauft, damit ich weiß, daß sie morgen auch noch für mich da sein wird.

Show More

Klaudija Paunovic

Hier schreibe ich mit Herzblut über alle Themen, die mich interessieren. Schon als Jugendliche schrieb ich für die Schülerzeitung. Es folgte die freie Mitarbeit bei Tageszeitungen wie Express und Rheinische Post. Und auch heute noch fröhne ich meiner Schreibleidenschaft auf diesem Blog. Wenn du mehr über mich erfahren möchtest, gibt es hier noch mehr Infos: »Mehr über mich«

Related Articles

Back to top button