Das Krümelmonster
„Whuahuahuaha“-jeder von uns erkennt sofort das krächzende Gekicher des einstigen Superstars unserer Kinderstube. Ewig schmatzend und aus einer Mülltonne lugend ebnete uns das Krümelmonster den Weg für ein ebenso verkorkstes Leben wie das seinige.
Zwar sehen dank schwedischer Möbelhersteller unsere Miniappartements und Wohngemeinschaften wesentlich häuslicher aus, doch kann man nicht abstreiten, daß Fressen, Pardon Essen, schon längst nicht mehr zur lästigen Grundbefriedigung des Menschen zählt. Für manche ist es mittlerweile vom Kultstatus zur lebensfreudeerhellenden Maßnahme erhoben worden. Während in Amerika bereits jedes zweite Kind unter fettgepolsterten Rettungsringen leidet, ist auch bei uns der Trend hin zur oralen Befriedigung spürbar. Ein voller Kühlschrank ist nicht nur Statussymbol, sondern gleichzeitig Standart der westlichen Welt.
Daß uns die Hungersnöte der restlichen Bevölkerung mitunter zum Halse raushängen, ist kein Geheimnis mehr. Niemand fragt sich, warum Jack Nicholson in ?About Schmidt“ dem kleinen Kmbuktu nicht einen Riegel mit ins Briefchen packt. Vielleicht liegt es an der querelen Kindheit, in der die Umwelt unseren Horizont bereits sehr früh mit Pferdeklappen abgesteckt hat. ?Wie- du hast nicht die neue Playstation?“-gehören nicht erst seit heute zu den grundlegenden Erziehungsaufgaben. Für manche gelten sie sogar ein Leben lang.
Eine gewisse Stumpfsinnigkeit der neuen Generation, die wenn nicht schon immer vorhanden, vermehrt im Fast-Food-Zeitalter aus ihren Löchern gekrochen scheint, hat uns verseucht. Um das verlorene Bewußtsein bezüglich der Nahrungsaufnahme wiederzubeleben, will sich der Konzern mit dem großen M nun ein pseudogesundes Image a la ?Ich liebe es“ aneignen.
In jeder Brigitte, Tina, Lisa und Verena gibt es weitere wertvolle Tipps zum Abnehmen und natürlich auch zunehmen. Kalbshaxe mit marinierten Kartoffeln geht Hand in Hand mit dem vegetarischen Nudelauflauf (ohne Sahnesoße nur 243 Kalorien!). Mittlerweile kommt es einem so vor, als ob Jutta, die innerhalb von 60 Monaten 120 Pfund abgenommen hat, eine Ehrenmedaillie verliehen werden müßte. Eine ganze Schar von Ärzten nutzt ihr Wissen tagtäglich dazu Fettleibigen Magengürtel, Spenderorgane und Herzklappen einzusetzen, statt Lebensnotwendige Operationen in Drittweltländern dürchzuführen.
Sicherlich hört diese moralapostolischen Phrasen keiner von uns gern, aber wann denken wir denn noch daran? Wir haben es uns angeeignet in Zeiten der Reizüberflutung unsere Prioritäten teils willkürlich zu vergeben. Dabei ist es doch gerade für den wahren leiblichen Genuß unverzichtbar sich mit den Hintergründen zu befassen. Nur so ist zu erklären, daß Freilandeier, Biohühnchen und Vitaminbonbons längst nicht mehr als Ausnahmen im Einkaufswagen vorzufinden sind-na also, es geht doch!
Wer also keine Lust mehr auf Kekse hat, der macht es einfach unserem Freund aus der Sesamstraße gleich und krümelt anständig rum.
17.11.03