Barfußschuhe und Ballengang – Dirk Beckmann im Interview
Bis vor einigen Wochen glaubte ich noch, Barfußschuhe seien nichts weiter als Schuhe, die man barfuß trägt. Als ich jedoch von der eigentlichen Bedeutung erfuhr, war meine Neugierde sofort geweckt.
Schließlich kämpfte ich selber jahrelang mit einem vermeintlich falschen Gang aus Ballett-Kindertagen. Anstelle beim Gehen zuerst auf die Ferse aufzusetzen, wie das die meisten meiner Schulkameraden taten, trat ich zuerst auf dem Ballen auf. Da ich ohnehin schon als Sonderling galt, wollte ich wenigstens in dieser Hinsicht wie alle anderen sein. Mühsam trainierte ich den Fersengang bis sich meine Gangart nicht mehr wesentlich von der der anderen unterschied.
Und jetzt ist es genau anders herum. Aufgrund meiner neu gewonnenen Erkenntnisse setze ich jeden Tag ein paar Schritte mehr zuerst auf dem Vorderfuß auf – am liebsten barfuß oder in Barfußschuhen – , in der Hoffnung eines Tages erneut den Ballengang in allen Lebenslagen zu beherrschen.
Was mich zu dieser Umkehr bewegt hat und wieso dabei Barfußschuhe eine wichtige Rolle spielen, das erfährst du in diesem Artikel inkl. Video-Interview mit dem Faszien-Experten Dirk Beckmann. Hast du noch Rückenschmerzen oder läufst du schon richtig?!
Der Ballengang und was Barfußschuhe damit zu tun haben
Vor 14 Jahren stolperte Dirk Beckmann eher zufällig über den „richtigen“ Gang. „Mein Kampfkunstlerer sagte mir damals:‘ Wenn du dich fließend frei bewegen willst, dann musst du zuerst auf dem Vorfuß aufsetzen.'“ Seitdem trägt er Barfuß-Schuhe, um optimal den Barfußgang imitieren zu können. Hierbei berührt vom Ballen zuerst die Kleinzehenseite, dann die Großzehenseite und zuletzt die Ferse den Boden, weswegen man auch vom sogenanntem Ballengang spricht.
Vor fünf Jahren begann dann der Hype, nachdem ein Buch namens „Born to run“ auf dem Markt erschien. Journalist und Hobbyläufer Christopher McDougall befasste sich darin mit dem für seine Laufkultur bekannten Volk der Tarahumara in Mexiko. Und siehe da: Diese schaffen Tagesstrecken von hundert Kilometern ohne Schmerzen oder Gelenkschäden tatsächlich Dank der Barfußlauf-Technik.
Wer glaubt, man könne den Ballengang mir nichts dir nichts erlernen, dem sei gesagt: „Gehen ist ein Bewegungsmuster, das extrem unbewusst ist. Es kann ein paar Monate oder Jahre dauern bis man sich an den neuen Gang gewöhnt hat“.
Du willst nun selber „richtig“ losgehen? Dann kannst du den Vorderfußlauf entweder direkt in seiner Düsseldorfer Praxis „Equilibrium State“ erlernen oder im Video-Tutorial „Einfach Ballengang Online Training“.
Was Barfußschuhe ausmachen
Doch Barfußschuhe sind nicht gleich Barfußschuhe! „Der Nullabsatz ist ganz wichtig!“, erklärt Beckmann, worauf es ankommt. „Die meisten Schuhen haben hinten eine sogenannte Fersensprengung, das heißt, sie gehen hinten ein kleines bisschen hoch. Das führt dazu, dass man steht wie der schiefe Turm von Pisa.“ Die Folge: Rückenschmerzen und eine nach vorn geneigte Körperhaltung.
Außerdem sollte die Sohle dünn sein, „damit die Fußmuskulatur aktiviert wird“. Ansonsten wird die Muskulatur schwächer und das Bindegewebe fester bis der Fuß irgendwann total unbeweglich ist. „Use ist or lose it„, so Beckmanns Credo.
Der dritte Punkt, in dem sich der Barfuß-Schuh vom normalen Schuh unterscheidet, ist die sogenannte Toebox. „Die V-Form ist ganz natürlich für unseren Fuß“, berichtet der Therapeut. „Die meisten Schuhe sind vorne schlanker, weil es elegant und schlank aussieht. Das ist aber nicht, wie unser Fuß aussieht.“
Heutzutage weisen die meisten Menschen mehr oder weniger verkrüppelte Großzehen durch das Tragen zu enger Schuhe auf. Im Extremfall spricht man von Hallux Valgus, bei dem der dicke Zeh so extrem in Richtung der anderen Zehen zeigt, dass das Gehen mit starken Schmerzen verbunden ist.
Nur Zehenschuhe erlauben den Füßen noch mehr Bewegungsfreiheit, da diese den Zehen Greifbewegungen ermöglichen. Doch „wenn Füße aussehen wie Füße, ist das für die meisten Menschen paradox„. Vielleicht also nicht gerade das geeignete Schuhwerk, um im Sterne-Restaurant zu Abend zu speisen.
Aber zum Glück es gibt mittlerweile viele tragbare Modelle, wie ich erst kürzlich am Beispiel von Mola Adebisi feststellen durfte. Der Moderator und 90er-Jahre-DJ überraschte mich nicht nur mit seiner Vorliebe für Barfußschuhe, sondern trug auch gleich ein Paar, das viel zu gut für Gesundheits-Schuhe aussah.
Übrigens: Mittlerweile habe auch ich mir ein paar pinke Ballerinas vom deutschen Barfußschuh-Hersteller Leguano angeschafft und bin sehr zufrieden damit, wenngleich sich diese optisch eher zum spazieren am Rhein als zum Flanieren auf der Kö eignen.