Bissige Begierde
Sadomaso ist eine sehr intensiv ausgelebte sexuelle Form der gegenseitigen Pein. Peitschen, schlagen, kratzen, beißen- alles ist erlaubt, solange es nur ordentlich Schmerz bereitet.
Der Durchschnittsmensch sieht in solch einem extremen Verhalten nach wie vor einen Hauch der Perversion mitschweben. Dabei ist das Spiel mit der erregenden Angst schon lange kein Tabuthema mehr. Sexypops (siehe Alkopops) werden nicht nur in der Glamour in Form von rosa Plüschhandschellen propagiert. Paarende Parfümpärchen kratzen sich gegenseitig auf Werbeplakaten, während in den Sextipps der Men´s Health ein deftiger Biss im Nacken als stimulierend gepriesen wird.
Mag es womöglich an der physischen Beschaffenheit unseres Körpers liegen, den bei Schmerz und Freude ein ähnliches Nervensignal heimsucht, wie bei heiß und eiskalt? Wie sonst läßt sich unsere Lust beim Busengrapschen, Rückenstechen und Erstickungsgefahren (Bierbauch auf Gerippe) anders erklären, wenn nicht durch biologische Vorgaben?
In der bisherigen Evolutionsgeschichte drehte sich das Leben vor allem um die Sicherung der Arterhaltung – sprich Fortpflanzung. Wenn man davon ausgeht, daß unsere Vorfahren ähnlich den heutigen Schimpansen in Gruppen zusammenlebten, deren stärkstes Männchen gleichzeitig Besamer und Anführer gewesen ist, läßt sich unter anderem erklären, warum das Prinzip der Monogamie nach wie vor schlecht in der heutigen Gesellschaft funktioniert. Hauptsache er kommt, damit sie den Nachwuchs sichert, was bei einer Mega-Triebhaftigkeit nicht unbedingt sanft zuging.
Heute ist das natürlich anders. Wir haben zwar nach wie vor Lust auf Sex, doch verlagert sich das Motiv von Kind + Haus im Grünen auf Lust für die Lust (l´art pour l´art). Nicht zuletzt verhalf einem Pille, Kondom und Hausfrauenrevolution der Fünfziger den Sinn des Daseins zu hinterfragen und Schwerpunkte auf Unabhängigkeit zu legen. Die Wertvorstellung der demokratischen Gesellschaft dreht sich nicht zuletzt um Akzeptanz und Integration der Individuen.
Was wir dabei aber scheinbar vergessen und durch Negativ-Nachrichten eigentlich Besser wissen müßten, ist die vorhandene tierische Seite in uns. Ärger, Wut, Hass und irgendwie auch Liebe und Sex sind Dinge, die nach scheinbar biologischen Vorgaben ablaufen. Warum soll etwas verteufelt werden, von dem wir alle etwas in uns tragen?
Wer sich also bislang schämte, aber davon träumte die Sau im Bett rauszulassen, der darf sich getrost an die Worte halten: Der Mensch ist des Menschen Wolf.
26.11.03