Märchen

Der Froschprinz und der Pfau mit den drei goldenen Federn

Es war einmal vor langer Zeit ein Prinz, für den es an die Zeit gekommen war sich zu vermählen. Um eine geeignete Braut zu finden, veranstaltete er einen großen Ball, zu dem alle Prinzessinnen der umliegenden FroschprinzKönigshäuser eingeladen waren. Als der Prinz den Thronsaal durchschritt, wurde er vom Anblick der zahlreich erschienenen Prinzessinnen überwältigt.
»Oh, wie schön sie doch alle sind«, staunte der Prinz in Gedanken, »eine jede von ihnen wäre mir recht zur Frau.«
Doch mitten unter den liebreizenden Geschöpfen befand sich eine Hexe, die leicht an ihrer krummen Nase sowie einem Kleid aus schwarzem Seidentaft auszumachen war.
»Was tust Du hier?«, fuhr der Prinz die Hexe an.

»Ich bin Prinzessin Gundula aus dem Zauberwald und möchte mein Glück bei der Brautwahl des jungen Prinzen versuchen«, antwortete die Hexe.
»Du hast kein Glück. Ich bin der Prinz und ich will Dich nicht hier haben«, sagte der Prinz und klatschte in die Hände, woraufhin zwei Diener flugs herbei eilten.
»Schafft sie hier fort«, befahl er und zeigte dabei auf die Hexe.
»Wartet«, sagte diese, »ich habe Euch eine Wette vorzuschlagen.«
Eigentlich bestand kein Grund für den Prinzen sich weiter mit der Hexe zu beschäftigen. Doch sein tollkühnes Herz wurde nur von seiner Neugierde übertroffen.
»Sprich schnell«, sagte er und gebot den Dienern inne zu halten, welche die Hexe bereits an den Armen gepackt hatten.
Sie riss sich los und fuhr fort: »Kennt Ihr das Märchen von dem Froschkönig, den nur der Kuss einer Prinzessin…«, »Natürlich!«, fiel er der Hexe ins Wort, »wollt Ihr mich etwa auch in einen Frosch verwandeln?«
»Ihr seid wahrlich ein gescheiter Prinz«, lobte ihn die Hexe, »ich verwandle Euch in einen Frosch, den nur der Kuss einer Prinzessin reinen Herzens erlösen kann. Dafür darf ich dann so lange in Eurem Schloss verweilen bis Ihr wieder ein Prinz seid.«
Der Prinz sah sich schon als strahlender Sieger aus dieser Wette hervorgehen. Seine überragende Anziehungskraft auf die Damenwelt würde, wenn überhaupt möglich, nur als Froschprinz gesteigert werden können. Welche Prinzessin träumte schließlich nicht davon einen Frosch in einen Traumprinzen verwandeln zu dürfen?
Doch vorsichtshalber fragte er die Hexe, worin denn ihr Vorteil bei der Wette läge.
»Nun, sobald Ihr wieder in einen Prinzen verwandelt seid, verlasse ich den Ball hoch erhobenen Hauptes. Auf diese Weise bewahre ich meine Ehre«, erklärte sie ihm.
Das leuchtete ihm ein. Als ein großer Verfechter von Ruhm und Ehre konnte er die Beweggründe der Hexe nur allzu gut nachvollziehen.
»Aber sollte es Euch bis Mitternacht nicht gelingen…«, fuhr die Hexe mit schelmischem Unterton fort und wurde abermals vom Prinzen unterbrochen:
»Papperlapapp. Wie sollte mir das in einem Raum voller liebreizender Prinzessinnen nicht gelängen?«, sein höhnisches Lachen wurde von zahlreichen Mündern pausbäckiger Prinzessinnen aufgegriffen, so dass der ganze Raum von schallendem Gelächter erfüllt wurde.
»Ihr könnt Euch auf einen schnellen Heimweg einstellen«, warf er der Hexe entgegen.
»Da Ihr derart sicher seid zu gewinnen, werdet Ihr vermutlich nichts gegen einen hohen Einsatz einzuwenden haben«, antwortete diese.
Und nachdem sie eine gewichtige Pause eingelegt hatte, fuhr sie fort:
»Sollte es Euch also nicht bis um Mitternacht gelingen wieder ein Prinz zu sein, so müsst Ihr fortan als Frosch fernab Eures Schlosses leben.«
Mit einer dramatischen Geste schloss sie ihre Rede ab.
»So soll es geschehen«, sagte der Prinz mit geschwellter Brust. Er fühlte sich in der Rolle des heldenhaften Märchenprinzen, umringt von einer Schar bewundernder Prinzessinnen, sichtlich wohl.
Nun zog die Hexe ihren Zauberstab hervor und verwandelte den anmutigen Königssohn in einen kleinen grünen Frosch, dessen seidig schimmernde Haut nur vom Glanz der Krone auf dem Haupt übertroffen wurde.

»Oh«, staunten die Zuschauerinnen nicht schlecht, als sie zusahen, wie der Froschprinz zum Thron hüpfte. Sofort bildete sich ein Gedränge um ihn, da sich jede der Prinzessinnen zur Hauptdarstellerin des Märchens berufen fühlte. Der Prinz, dem jede der Schönheiten recht war, zeigte willkürlich mit seiner Flosse auf eines der Mädchen und gebärdete diesem ihn zu küssen. Nachdem zierliche rote Lippen den schleimigen Mund des Frosches berührt hatten, hüllte sich der Raum erwartungsgemäß in Schweigen. Doch es passierte rein gar nichts.

»Wie kann das sein«, erschrak der Prinz innerlich, »sollte mich die Hexe etwa reingelegt haben, so dass ich für immer ein Frosch bleibe?«
Schnell wischte er diesen Gedanken beiseite und zeigte auf die nächste Prinzessin, die vergnügt aufkreischte und dem Frosch einen dicken Schmatzer verpasste. Doch als wiederum nichts geschah, suchten die Augen des Froschprinzen die der Hexe, welche das Geschehen vom Rande aus vergnügt beobachtete.
»Seid Ihr nicht etwa der Prinz, den alle Prinzessinnen lieben?«, rief sie ihm schadenfroh zu.
Der Froschprinz, dem allmählich dämmerte, welch weitreichende Folgen eine Niederlage haben würde, ordnete umgehend an, dass sich alle Prinzessinnen in einer Reihe aufzustellen hatten. Nun trat eine nach der anderen an diesen heran, um ihr Glüch zu versuchen. Doch so sehr sich jede Prinzessin auch bemühte, der Froschprinz blieb ein Frosch.

Da ertönte auf einmal der Glockenschlag, welcher die Mitternachtsstunde ankündigte. Alle erschraken, als die Hexe hinter einer Nebeldecke verborgen dem Froschprinzen mit fester Stimme befahl, das Schloss zu verlassen.
»Wettschulden sind nun mal Ehrenschulden«, wusste der Prinz und hüpfte erhobenen Hauptes unter mitleidsvollen Blicken seiner Gäste aus dem Schloss hinaus.  Als er endlich den Wald erreichte, wurde ihm gewahr, dass er allzu leichtsinnig eine Wette eingegangen war, deren Folgen er vielleicht sogar mit seinem Leben würde bezahlen müssen.

Nachdem er an einem kleinen Weiher angelangt war, der sich inmitten einer Lichtung befand, beschloss er vorerst auszuruhen. Um einen kühlen Kopf zu wahren, suchte er nach einem verborgenen Hinweis in den Worten der Hexe, den er zuvor übersehen haben musste. Sagte sie nicht, dass ihn nur der Kuss einer Prinzessin erlösen könne?, überlegte er. Doch wie viele Prinzessinnen hatte er anschließend geküsst, ohne dass auch nur eine den Fluch hatte brechen können.
»Die Hexe hat mich reingelegt«, quakte er wütend in die Luft, auch wenn er wusste, dass das nicht stimmen konnte. Denn, egal wie viel Schlechtes man über Hexen sagen konnte, wenigstens besaßen diese einen Codex, der es ihnen verbot unlösbare Flüche in die Welt zu setzen. Doch als er im Wasser anstelle seiner ansehnlichen Löwenmähne einen widerlichen Froschkopf erblickte, war es um seine Beherrschung vollends geschehen. Unzählige Tränen tropften am großen Froschmaul entlang in den Weiher hinab, wo sie ihm das Spiegelbild zu einer hässlichen Fratze verzerrten.

Von den herzzerreißenden Klagen des Frosches angelockt, eilte ein prächtiger Pfau aus dem Dickicht des Waldes herbei.
»Was ist mit Dir, du armer Frosch?«, fragte ihn der Pfau, dessen farbenfrohes Federkleid bei jedem seiner Schritte schaukelte.
»Ich bin kein Frosch, sondern eigentlich ein Prinz, der von einer Hexe verflucht worden ist«, korrigierte der Prinz den Pfau.
Erst jetzt bemerkte dieser die kleine goldene Krone auf dem Haupt des Frosches, die dieser just zurecht rückte.
»Ich verstehe«, sagte der Pfau.
»Nichts verstehst Du,« entgegnete der Froschprinz, dem es nicht gelang seine Enttäuschung in Zaum zu halten. Denn beim Gedanken daran, nie mehr von den Vorzügen seiner adeligen Herkunft Gebrauch machen zu können, wurde er von großer Wut überrollt, die ihm die Tränen in die Augen trieb.
»Ach Frosch, bitte, weine nicht. Ich werde Dir helfen«, beruhigte ihn der Pfau.
»Niemand kann mir jetzt noch helfen,« wimmerte der Prinz leise vor sich hin.
»Schau auf meine Federn,« sagte der Pfau und wedelte mit seiner Pracht direkt vor der Nase des Froschprinzen, »siehst Du die drei goldenen darunter? Eine von diesen wird Dir Deinen Wunsch erfüllen!«

Bei diesen Worten hob der Frosch den Kopf an und wischte sich mit der Hand die Tränen ab.
»Du kannst mich also in einen Prinzen zurück verwandeln?«, fragte er den Pfau mit weit aufgerissenen Augen. Bei genauerer Betrachtung musste er anerkennen, dass es sich um den schönsten Vogel handelte, dem er je begegnet war.
»Nicht direkt. Einen Fluch kann nur die Person aufheben, welche diesen ausgesprochen hat. Oder aber man erfüllt die Bedingungen, die mit diesem verbunden waren«, antwortete der Pfau bedächtig.
Im Kopf des kleinen Frosches überschlugen sich die Gedanken. Da war doch noch etwas, was die Hexe gesagt hatte. War es nicht <em>nur der Kuss einer Prinzessin reinen Hauptes könne ihn erlösen? Oder war es Prinzessin reiner Haut? Vielleicht gar reinen Haares? Warum hatte er der Hexe nicht besser zugehört, ärgerte er sich jetzt über seine mangelnde Aufmerksamkeit. Doch konnte er seine Gedanken noch so oft wälzen, der genaue Wortlaut würde ihm nicht mehr einfallen. Dennoch bestand mit einem Mal wieder Hoffnung für ihn. Irgendwo da draußen würde die Prinzessin reinen Was-auch-immers zu finden sein, die ihn von seinem Fluch befreien könnte.

Seine Idee war daher so naheliegend, dass er sich schon ob ihrer Einfältigkeit schämte. Bisher hatte er nur die Prinzessinnen der umliegenden Königshäuser kennengelernt. Sicher musste unter den Prinzessinnen der  entfernten Königreiche diejenige zu finden sein, deren Kuss sein Schicksal zum Positiven besiegeln würde.
»Ich wünsche mir, die Prinzessinnen der entfernten Königreiche kennenzulernen. Am besten sie würden mich auf einem prächtigen Schloss direkt hier mitten im Wald besuchen!«, überschlugen sich die Worte des Prinzen.
»So werde ich Dir Deinen Wunsch von Herzen gern erfüllen«, antwortete der Pfau mit zuversichtlicher Stimme. Seine goldene Feder wurde währenddessen von einem dunklen Schleier erfasst und in ein tiefes Schwarz getaucht. Anschließend machte sich ein dichter Nebel über den Wald breit, der nach seinem Verschwinden ein großes Schloss preis gab.

Der geräumige Vorhof des Schlosses war von den vielen Kutschen übersät, mit denen die Prinzessinnen der entfernten Königreiche dem Froschprinzen zu Ehren angereist waren. Als dieser in den vollen Ballsaal hüpfte, liefen die Mädchen aufgeregt hin und her. Eine jede von ihnen träumte davon die Märchenprinzessin zu sein, die dem verwunschenen Prinzen sein vollkommenes Aussehen zurückbringen und mit diesem glücklich bis zum Lebensende auf seinem Schloss leben würde.
Es dauerte daher nicht lange bis die erste den Froschprinzen vom Boden aufhob und ihn küsste. Doch nachdem sich nicht der gewünschte Erfolg eingestellt hatte, riss ihr bereits die nächste den Frosch aus der Hand, um gleichauf ihr Glück zu probieren.
Dem Prinzen gefiel diese Vorgehensweise nicht schlecht, befand er sich doch im Mittelpunkt einer Horde bildhübscher Mädchen, die ihn mit Zärtlichkeit überhäuften. Als die Prinzessinnen allerdings eine nach der anderen enttäuscht davon liefen, musste er erkennen, dass sein Vorhaben abermals fehl geschlagen war.

Schwermütiger als zuvor, wo er noch sein eigenes prächtiges Schloss verlassen hatte, kehrte er nun auch diesem den Rücken zu.
»Ein Weiher ist ein wesentlich besser geeigneter Ort für eine grüne Kröte wie mich!«
Während er durch den Wald zur Lichtung hüpfte, gab er ein wehleidiges Quaken von sich.
Da kam der Pfau erneut ob der Klagelaute herbeigeeilt und fragte den Frosch: »Was ist passiert? Habe ich Dir Deinen Wunsch denn nicht entsprechend erfüllt?«
»Doch«, antwortete dieser, der einem Häufchen Elend gleich auf einem Stein kauerte, »aber nicht ein Kuss einer der Prinzessinnen der entfernten Königreiche vermochte mich von meinem Elend zu befreien.«
Der Pfau trat näher an den Frosch heran und stupste diesen aufmunternd mit dem Kopf an: »So lass mich Dir helfen, in dem ich Dir einen weiteren Wunsch erfülle.«
»Das wäre einfach wunderbar!«, sinnierte der Frosch und ein zarter Anflug eines Lächelns machte sich auf seinem Gesicht bemerkbar.
»So sage mir, wie Dein zweiter Wunsch lautet«, bat der Pfau in seiner liebevollen Art und Weise.
»Wenn ich eine Kutsche mit zwölf Pferden besäße, könnte ich alle Prinzessinnen der weit entfernten Königreiche besuchen. Eine von ihnen würde mich sicher von meinem Leid erlösen können«, entrann es dem Prinzen.
Und ehe er sich versah, hatte eine magische Tinte die goldene Feder des Pfaus erfasst und in mattes schwarz gesogen. Wie aus dem Nichts tauchte im Wald plötzlich eine goldene Kutsche auf, vor der zwölf Schimmel gespannt waren. Bunte Federn zierten die Häupter der schnaubenden Tiere, die zum Aufbruch bereit standen.
»Ich wünsche Dir von Herzen viel Erfolg«, rief der Pfau dem Froschprinzen hinterher, als dieser im Zwölf-Spänner davon fuhr.

Er überquerte zahlreiche Berge, Flüsse und Wälder, um die Prinzessinnen der weit entfernten Königreiche aufzusuchen. Wie freudig schlug sein Herz bei jedem Male, wenn er vor einem neuen Schloss stehend seine Aufwartungen machte. Nichts schien ihm die Hoffnung zu rauben, dass sich hinter einer der schweren Holzpforten die Prinzessin befand, deren Kuss ihn ein für alle Mal vom Fluch befreien täte.
Doch nachdem mehrere Monate erfolglos ins Land verstrichen waren, verlor er allmählich seine Zuversicht. Nicht einmal an den herrlichen Landschaften vermochte er sich noch zu erfreuen, die er mit seiner königlichen Kutsche passierte.
Nach einem Jahr hatte er tatsächlich alle Prinzessinnen der weit entfernten Königreiche besucht, ohne dass auch nur eine unter diesen imstande gewesen war ihn zu erlösen. Trauriger denn je zuvor kehrte der Froschprinz an den Ort zurück, von wo aus er einst voller Hoffnung aufgebrochen war.

»Nie mehr werde ich wieder ein Prinz sein«, gab der Froschprinz unter lautem Klagequaken von sich, »die Hexe hat mich reingelegt. Ich bleibe ein hässlicher armer Frosch für immer«.
Und die Tränen tropften im heiß von der Wange ins Wasser herab, wo sie sein Spiegelbild in eine scheußliche Grimasse verwandelten.
Wie die beiden Male zuvor, so wurde ebenso jetzt der Pfau durch das Weinen des Frosches herbeigelockt.
»Du bist immer noch ein Frosch. Wie schade! So konnte ich Dir auch mit Deinem zweiten Wunsch nicht weiterhelfen«, stellte der Pfau enttäuscht fest.
»Ich bin eben verflucht und sollte mich damit zufrieden geben, nie mehr wieder glücklich zu werden«, gab dieser im Selbstmitleid versunken von sich.
»Du armer Froschprinz, ich werde Dir helfen«, fuhr der Pfau mit zuckriger Stimme fort, »Lass mich Dir einen dritten Wunsch erfüllen. Aber bedenke, dass es diesmal der letzte sein wird, da ich nur noch eine goldene Feder trage.«

Bei diesen Worten fächerte er dem Frosch seine verbliebene goldene Feder entgegen, die sich farblich nebst zwei schwarzen von den ansonsten bunt glänzenden Pfauenaugen absetzte.
»Das würdest Du für mich tun?«, der Froschprinz hatte zwar im Stillen gehofft, der Pfau möge ihm gleichfalls seine dritte Wunschfeder überlassen, doch nun, da es tatsächlich geschah, wurde er von seinen Gefühlen überwältigt.
»Du rettest mir das Leben!«, gab er freudig von sich, »Erfülle mir nur noch einen Wunsch und ich werde ganz sicher wieder in einen Prinzen verwandelt werden. Danach werde ich Dich reich entlohnen!«, aufgeregt hüpfte er von einem Bein auf das andere.
»Meine Belohnung wird sein, dass Du nie mehr traurig bist. Mehr verlange ich nicht«, entgegnete der Pfau, »So verrate mir Deinen letzten Wunsch. «
»Ich wünsche mir in die entferntesten Königreiche zu gelangen, um dort nach der Prinzessin Ausschau zu halten, die mich von meinen Qualen erlösen wird«, selbstzufrieden blickte der Frosch drein.

Dank seiner positiven Grundeinstellung gelang es ihm sein Credo binnen Sekunden von absoluter Hoffnungslosigkeit in puren Optimismus zu verkehren. Er war jetzt fest davon überzeugt, dass die Prinzessin reinen Was-auch-immers einfach irgendwo auf dieser Erde existieren musste.
»So steige denn auf meinem Rücken und ich werde Dich selbst zu den entferntesten Königreichen fliegen,« sobald der Pfau diese Worte gesagt hatte, verlor die verbliebene goldene Feder ihre Farbe.
Als sie gemeinsam in die Luft empor stiegen, gaben sie ein surreales Bild aus blauen und grünen Tönen ab. Die Reise führte den Froschprinzen in Gebiete, von denen er noch nie gehört hatte. Er traf auf Prinzessinnen, deren Haut so schwarz wie Ebenholz war und die im Gegensatz zu den Prinzessinnen, die er kannte, keine langen Kleider trugen. Sie hatten stattdessen bunt gemusterte Tücher um ihre wohlgeformten Taillen gewickelt. Eine fremdartige Prinzessin nach der anderen küsste der Frosch voller Erwartung. Doch das Wunder, auf dass er nun schon seit über einem Jahr wartete, blieb aus. Aber der Pfau an seiner Seite wusste ihn zu trösten.
»Sei nicht traurig. Die Welt ist groß. Wir werden die richtige Prinzessin schon noch finden.«
Er traf auf Königstöchter, deren mandelförmige Augen zwar sein Herz in Wallung brachten, ihn aber nicht von seinem Fluch befreien konnten. Es vergingen Monate, wenn nicht sogar Jahre, in denen der Froschprinz auf kleine, große, helle, dunkle, blonde, brünette oder rothaarige Schönheiten stieß, die ihm ihre Lippen bereitwillig auf das glitschige Froschmaul legten.
Und irgendwann hatten beide tatsächlich alle verbliebenen Königreiche der Erde bereist, ohne auf die Prinzessin zu stoßen, die den Fluch des Frosches mit ihrem Kuss hätte aufheben können. So kam der Tag, an dem die Suche ihr Ende nahm und das ungleiche Gespann an den Ort zurückkehrte, von wo aus die Reise ihren Lauf genommen hatte. Zwar hatte die Reise nicht den gewünschten Erfolg gebracht, doch hatte sie immerhin dazu beigetragen das Band der Freundschaft zwischen Frosch und Pfau zu stärken.

»Es gibt keine Hoffnung mehr«, stellte der Frosch nüchtern fest.
Er hatte keine Tränen mehr übrig, um seine Traurigkeit kund zu tun. Oder hatte er sich schon an ein Leben als Frosch gewöhnt?, fragte er sich insgeheim selbst.
»Nicht nur für Dich gibt es keine Hoffnung mehr«, entgegnete der Pfau, der zum ersten Mal von Melancholie überwältigt schien.
»Wie meinst Du das? Du bist ein wunderschöner Pfau, der zudem noch fliegen kann. Und ich? Ich bin nur eine hässliche Kröte mit schleimiger Haut, die stumpfsinnig an einem Tümpel dahin vegetiert«, versuchte der Frosch seinen Freund aufzumuntern, indem er das eigene Los mit dem seinen verglich.
»Auch ich war einst eine Prinzessin. Nur einer bösen Hexe habe ich die Tatsache zu verdanken, als Pfau in der Welt leben zu müssen«, und dabei seufzte der Pfau laut auf.
»Warum hast Du mir nicht früher davon erzählt?«, wollte der Frosch erfahren, der sich nun ob seiner früheren Anfälle von Selbstmitleid schämte. Dieser Pfau ward ihm stets so erhaben erschienen, nie hätte er vermutet, dass sich hinter dieser lieblichen Fassade eine derart dramatische Geschichte verbarg.
»Du bist viel zu sehr mit Deinem eigenen schweren Schicksal beschäftigt gewesen, als dass ich Dich mit dem meinen noch hätte belasten wollen.«
Der Froschprinz schaute betreten zu Boden. Gern hätte er dem Pfau, der ihm ein so teurer Freund geworden war, früher beigestanden.
»Ich werde Dir eben jetzt die ganze Geschichte erzählen, da uns beide ohnehin nichts mehr retten kann«, fuhr der Pfau mit leiser Stimme fort, »Als ich noch ein kleines Mädchen war, weissagte eine gute Fee, dass ich Dank meines reinen Herzens eines Tages mit einem stattlichen Prinzen in einem prächtigen Schloss leben würde. Aber zu meinem sechzehnten Lebensjahr erschien plötzlich eine böse Hexe und verwandelte mich in meine jetzige Gestalt. Sie höhnte, dass ich zuerst die Reinheit meines Herzens beweisen müsse, indem ich jemandem seinen größten Wunsch erfüllte. Nur so könnte ich vom Fluch befreit werden.«

Der Pfau schnappte tief nach Luft, zu schmerzhaft war ihm die Erinnerung an jene Zeit. »Meine Eltern holten zwar direkt die gute Fee herbei, doch diese vermochte mich auch nicht mehr zurück zu verwandeln. Denn wie jedermann weiß, kann den Fluch einer Hexe…«, und der Frosch fiel dem Pfau ins Wort, »…nur die Hexe selbst oder die Erfüllung der Bedingungen aufheben.«
»So ist es«, bestätigte dieser, »aber der Fee verdanke ich immerhin die drei goldenen Federn. Auf diese Weise hatte sie es mir leichter machen wollen den größten Wunsch eines anderen zu erfüllen. Und jetzt habe ich keine Möglichkeit mehr, um mein reines Herz zu beweisen.«
»Warte. So bist Du die Prinzessin reinen Herzens?«, kaum hatten die Worte sein Froschmaul verlassen, da wusste er bereits, dass sich die Lösung seines Problems die ganze Zeit über direkt vor seinen Augen befunden hatte. Der Wortlaut der Hexe war weder Prinzessin reinen Hauptes noch reinen Haares oder reiner Haut gewesen, sondern Prinzessin reinen Herzens. Mit einem Satz sprang er direkt vor die zarten Füße des Pfaus und drückte diesem, ehe dieser sich versah, einen dicken Kuss auf den kleinen Schnabel auf.

Die Stille danach schien eine Ewigkeit anzudauern, doch dann passierte endlich das Ereignis, auf das beide schon so lange gewartet hatten. Ein weißer Nebelstreifen tauchte aus dem Nichts auf und umwirbelte die beiden Tierkörper, so dass der Frosch sich schon inmitten von Wolken glaubte, die er auf dem Rücken des Pfaus aus nächster Nähe hatte betrachten dürfen. Nachdem die Schwaden sich verzogen hatte, blickten sie einander ungläubig an.

Dem Prinzen stand auf einem Mal die schönste Prinzessin gegenüber, derer er je gewahr worden war. Ihr Haar, das in einer Palette von tausend Türkistönen schimmerte, umspielte wellenförmig ihre blassen Schultern. Doch noch faszinierender als ihre zarte Gestalt empfand er diese engelsgleiche Ausstrahlung, welche einzig und allein ihrem reinen Herzen zu verdanken war.
»Du bist wieder ein Mensch,« schrie die Prinzessin mit glänzenden Augen auf, als sie die kühne Gestalt des blonden Prinzen vor sich sah.
»Wir haben uns gegenseitig erlöst,« stellte der Prinz fest und nahm die zierliche Hand der Prinzessin in die seine, während er sie zärtlich von der Seite aus ansah, »so erfüllt mir nur noch einen letzten Wunsch«.
»Ich erfülle Euch jeden Wunsch«, frohlockte die Prinzessin.
»Dann erweist mir die Ehre mich als meine Braut zu meinem Schloss zurück zu geleiten«, bat der Prinz.
»Nichts täte ich lieber als das!“, jauchzte die Prinzessin, deren Schicksal sich just in dem Moment erfüllte, als sie nicht mehr davon zu träumen wagte.
Hand in Hand verließen sie den dunklen Wald und traten hinaus in eine lichte neue Welt, wo sie heute noch glücklich auf dem Schloss zusammen leben, wenn sie nicht gestorben sind.

ENDE

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Klaudija Paunovic

Hier schreibe ich mit Herzblut über alle Themen, die mich interessieren. Schon als Jugendliche schrieb ich für die Schülerzeitung. Es folgte die freie Mitarbeit bei Tageszeitungen wie Express und Rheinische Post. Und auch heute noch fröhne ich meiner Schreibleidenschaft auf diesem Blog. Wenn du mehr über mich erfahren möchtest, gibt es hier noch mehr Infos: »Mehr über mich«
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