Kolumne

Der Spiegel

Frau im Spiegel
Jeder kennst sein Spiegelbild. Doch kennt dein Spiegelbild auch dich?

Da ist sie wieder-diese komische Fratze mit dem viel zu kleinen Mund. Verkniffen blicken mich braune Augen hinter einer dunklen Brille aus viel zu nächster Entfernung an. Irgendwoher kennt man diesen Ausdruck des Mißfallens, der sich durch ein leichtes Anheben der rechten Augenbraue bemerkbar macht. Aber das bin doch…!

Eine Sekunde hat man für diese Erkenntnis benötigt. Ein winiziger Augenblick nur, der dazu ausreichte, in dem eigenen Spiegelbild eine völlig fremde Person zu vermuten. Woran liegt diese plötzliche plastische Entfremdung seiner selbst?

Zum einen ist sicherlich die rasante Modeentwicklung Schuld an der fehlenden Kontinuität der persönlichen Ausdrucksweise. Neue Trends, monatliche Kollektionswechsel, verstärkter Werbedruck der Lifestyleindustrie, sowie ein vereinheitlichtes Frauenbild erwecken in uns das Bedürfnis sich stärker aus der Masse abzuheben. Nicht selten durchlaufen Haare in einem Jahr die ganze Farbpalette, während der Rest des Körpers lauter bunten Schäppchen auf der Spur bleibt. Nicht einmal mehr die Augenfarbe ist dank farbiger Kontaktlinsen unabänderbar. Zuweilen mag man sich wie auf einem Faschingsball vorkommen auf dem der Preis für die beste Kostümierung verliehen wird.

Aber warum die nichtvorhandene Fähigkeit sein Selbstbild wahrzunehmen allein der Umwelt anlasten, wenn es eine weitere ebenso banale wie naheliegende Lösung gibt. Wir alle sind dem Leben unterworfen oder, wie es auf den viel zu viel versprechenden Plakaten der Matrixtrilogie nicht besser ausgedruckt hätte werden können:“Alles, was einen Anfang hat, hat auch ein Ende.“

Trotz Anti-aging-cremes, Vitaminpillen, Hormonpräparaten und ähnlichen Hautbewahrenden Rettungsmaßnahmen altern wir nicht nur psychisch, sondern vor allem physisch. Umso undeutlicher wir die Veränderungen bei unseren Freunden wahrnehmen, umso grausamer zeigt sich hinhterher das verzerrte Selbstbild in der Front des Spiegels. Derselbe Effekt ist beim Homevideo zu beobachten, wobei hier das Erstaunen beim Anblick der eigenen Moves verständlicher wird. Wer sieht sich schon selbst beim Gehen zu? Daß die mangelnde Möglichkeit sein eigener Voyeur zu werden die Hauptursache schlechthin für jenes visuelle Defizit sein kann, ist nicht von der Hand zu weisen.

Dennoch gibt es etliche Menschen, die keinerlei Probleme damit aufweisen ihr Erscheinungsbild ohne Schrecksekunde mit sich zu vereinbaren. Was haben sie unsereinem voraus, der je nach Tagesverfassung einem angenehmen oder unliebsamen Gegenüber in den flutdurchleuchteten Gefilden des Badezimmerspiegels ausmacht? Sicherlich eine Portion Gleichgültigkeit gepaart mit einem geradezu unverschämt gesundem Selbstbild. Wie beneidenswert sind jene Lebewesen, die sich keinen Kopf um die Augenringe als Erinnerung an die letzte Nacht machen müssen, weil sie nicht einen Moment lang die Idee verfolgt, es könne eine interessante Beschäftigung sein.

Dafür verpassen sie aber jene aufregenden Lichtblicke, die nach stundenlangem Frisieren und anderen Highlights die positive Energie in uns für uns wiederspiegeln. Vielleicht sollten wir uns also nur dann gegenübertreten, wenn ein Gefühl der überschwenglichen Freude im Raum schwebt.

Denn, dass eine zu häufige Betrachtung seiner selbst zum genauen Gegenteil führen kann, hat wohl der ein oder andere bereits am eigenen Leib festgestellen müssen. Wir wollen doch keine schlafenden Kritiker wecken…

15.11.03

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Klaudija Paunovic

Hier schreibe ich mit Herzblut über alle Themen, die mich interessieren. Schon als Jugendliche schrieb ich für die Schülerzeitung. Es folgte die freie Mitarbeit bei Tageszeitungen wie Express und Rheinische Post. Und auch heute noch fröhne ich meiner Schreibleidenschaft auf diesem Blog. Wenn du mehr über mich erfahren möchtest, gibt es hier noch mehr Infos: »Mehr über mich«

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