Jetzt aber! Immer diese guten Vorsätze zum neuen Jahr …
Was bringt normalintelligente Menschen alle auf die Idee „Mit dem Rauchen aufzuhören“, „weniger zu trinken“ und sich andere ähnlich gutklingende, aber schwer durchführbare Ideen vorzunehmen? Sicherlich nicht der Verstand, da man ansonsten nie mit den Lastern angefangen hätte.
Wenn diese Euphorie weltweit in derselben Sekunde stattfindet, dann klingt das nicht nur nach Blasphemie, sondern ist es auch – der Sylvesteraufputschtag. Nirgendwann sonst strebt der Mensch so sehr nach einer positiven Veränderung seiner selbst, wie zur Neujahrsnacht. Ob es darum geht den Hund regelmäßiger Gassi zu führen, 50 Pfund abzuspecken, die Handykosten zu halbieren, weniger Schwachsinn zu fabrizieren oder mindestens fünf Kontinente auf einmal im Sommer zu bereisen- der Motivationsschub dieser Nacht erreicht überdimensionale Ausmaße, die bis zum ersten Astronauten auf dem Mars reichen würden.
Wie ein Baby bei der Taufe von seinen „Sünden“ reingewaschen wird, so hoffen auch wir der bloßen Tatsache wegen, daß von nun an eine andere Ziffer am Datumsende verwendet wird, der „bösen“ Vergangenheit zu entgehen. Durch Rituale, die unsere unbewußten Bedürfnisse ans Tageslicht tragen sollen, glauben wir tatsächlich etwas verändern zu können. Hierbei scheint vor allem die Regel zu gelten- je größer die Party, je doller die Erkenntnis. Feuerwerk, Gaumenschmaus und Gemeinschaftsgefühl sind nicht zuletzt DIE Standartwerte für das gelungene Sylvesterjuppheida.
Manchmal über das Tor hinauszuschießen ist demnach keine böse Absicht, sondern bloß ein harmloses Neujahrsgeplapper, das man als nüchterner Kumpane einfach über sich ergehen lassen muß. Es würde sogar an Beleidigung grenzen, spräche man den ein oder anderen auf die offensichtlich nicht durchgehaltene Diät einige Wochen später an.
Von den „guten Vorsätze“weichen nämlich nur noch diejenigen nicht ab, die entweder keine haben oder sich so banale Dinge in Aussicht gestellt haben, wie z.B. keine Folge der 6. Sex&City-Staffel zu verpassen. Wer ernsthaft glaubt nach 15 Jahren von mir nichts dir nichts mit dem Rauchen aufzuhören, für den sollte im Kopf täglich ein Film des Sylvesterfeuerwerks ablaufen.
Denn vielleicht verlaufen sich unsere Ziele nicht so schnell im Sand, wenn wir Gedanken und Taten etwas mehr als nur einmal im Jahr der Reflektion unterwerfen würden.