Vitiligo-Model Mehdi: „Ich bin einzigartig“
Mehdi Amine Jefjaf fällt auf. Wenn immer der gebürtige Marokkaner seine vier Wände verlässt, kann er sich der neugierigen Blicke seiner Mitmenschen sicher sein. Denn das Gesicht des hageren jungen Mannes ist von weißen Flecken übersät, die sofort jede Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ursache ist eine Pigmentstörung namens Vitiligo, eine ominöse Autoimmunkrankheit, an der weltweit nur 0,5 – 2% erkranken und deren Entstehung genauso Rätsel aufgibt wie die Behandlungsmöglichkeiten.
Wie alles begann – Mehdis Kindheit mit Vitiligo
In Mehdis Familie hat es noch nie zuvor einen Fall von Vitiligo gegeben. Völlig unvorbereitet traf der Ausbruch den damals 7-Jährigen und seine Eltern in Marokko. „Es begann zunächst mit einem kleinen Punkt unter dem linken Auge.“, erinnert sich der Maschinenbau-Student an den alles entscheidenden Moment zurück. Nur acht Monate später war sein gesamtes Gesicht betroffen.
Von da ab begann das jahrelange Martyrium. „Die anderen Kinder hänselten mich. Ich wurde als Dalmatiner und Kuh beschimpft.“ Doch das Allerschlimmste war: „Kaum einer wollte mit mir spielen, weil man mich für ansteckend hielt.“ Während die Mutter Rückhalt und Unterstützung bot, zerrte der Vater ihn immer wieder zu verschiedenen Ärzten, die ihm zahlreiche Medikamente verschrieben. „Ich habe mit Sicherheit mehr Medizin geschluckt, als für mich damals gut gewesen ist.“ Geholfen hat es trotzdem nicht.
Erst mit zehn Jahren rät ihm ein weiser Mann, die Ernährung umzustellen und bestimmte Kräuter einzunehmen. Tatsächlich konnte dadurch eine weitere die Ausbreitung der Pigmentstörung verhindert werden, so dass Mehdi zu seinem jetzigen Aussehen kam. Doch sein Vater konnte die Krankheit einfach nicht akzeptieren. Damit er nicht zum Gespött der Leute werden sollte, zwang er seinen Sohn selbst im Hochsommer bei Temperaturen um die 45° lange Kleidung zu tragen.
Die Wendung – Mehdi startet durch (trotz Vitiligo)
Die überforsorgliche Behandlung des Vaters verstärkte nur das unangenehme Gefühl abnormal zu sein. Mit 16 Jahren wagte sich der friedfertige Mann dann endlich gegenüber seinem Vater zu behaupten: „Ich sagte ihm, er soll mich endlich so leben lassen wie ich will.“
Statt in Selbstmitleid zu versinken, schloss der zielstrebige Mehdi zunächst die Schule ab und absolvierte im Anschluss erfolgreich zwei Ausbildungen im IT-Bereich. Nachdem er allerdings keine Arbeit in Marokko fand, keimte in dem Sohn eines Schneiders und einer Hausfrau der Wunsch auf in Deutschland zu studieren. Einfacher gesagt, als getan. Über vier Monate ging er täglich eine Stunde zu Fuß zum Deutsch-Unterricht, um das Zertifikat B1 zu erhalten – eine notwendige Voraussetzung für ein Visum.
Jetzt fehlte nur noch der Nachweis eines Sparkontos in Höhe von 9.000 Euro. Sein fünf Jahre älterer Bruder Zouhair nahm dazu extra einen Kredit auf. „Ohne ihn hätte ich nicht nach Deutschland kommen können“, ist sich der mittlere von drei Brüdern sicher. Während die anderen beiden in Marokko beim Militär arbeiten, hat Mehdi nun die Chance auf ein Studium. „Leider muss ich viel arbeiten, um mir das Leben hier finanzieren zu können.“ Denn einen Anspruch auf Bafög oder ähnliche Unterstützung hat der Bachelor-Student nicht. Vor lauter neuer Sorgen hätte er schon fast sein „altes“ Problem vergessen.
Vitiligo ist schön – Mehdi erkennt seine Einzigartigkeit
„Ich war gerade einkaufen als mich plötzlich eine Frau ansprach und meinte, ich sei wunderschön. Das konnte ich einfach nicht glauben“, ruft er sich die erste Begegnung mit Ida Kammerloch in Erinnerung. Die Kunst-Studentin wollte unbedingt Fotos von seinem mit Pigmentflecken übersäten Körper machen. „Zuerst lehnte ich ab„, erinnert er sich, „doch eine Psychologin half mir an meinem Selbstvertrauen zu arbeiten.“
Zusätzlich erleichtert wurde ihm die Entscheidung sich unter Idas Kamera zu legen durch eine Werbekampagne der Marke Desigual, in der ein an Vitiligo leidendes Model stolz ihr Camouflage-Gesicht zur Schau trägt. Während dieser Zeit begegneten ihm immer mehr Menschen wohlwollend auf der Straße, so dass er eines Abends im Internet nach einer Agentur für außergewöhnliche Models Ausschau hielt.
Dabei stieß er auf Misfits Models in Berlin, deren Gründer Derrick „Del“ Keens vor zwanzig Jahren von der Agentur „Ugly Models“ in London entdeckt wurde und seitdem für viele namhafte Modelabels wie Calvin Klein, Renault, Levis und Diesel Jeans gemodelt hat. „Ich wurde sofort zum nächsten Fototermin eingeladen“.
Doch bevor er sich nach Berlin aufmachte, ließ er die angehende Künstlerin Fotos machen. Das Ergebnis überraschte ihn völlig. „Wenn ich die Bilder sehe, denke ich jedes Mal ‚Wow, das bin ja ich!'“ So gestärkt präsentierte er sich am Wochenende Del von Misfits und wurde prompt in die Kartei mit aufgenommen. „Del sagte mir ‚Ich wollte schon immer Chantelle Winnie, aber jetzt habe ich Mehdi’“, freut sich das künftige Fotomodell.
Nach anderthalb Jahren in einem fremden Land, fernab der Familie und völlig auf sich allein gestellt, hat Mehdi Amine Jefjaf, dessen zweiter Name auf deutsch soviel wie ‚Mann, dem jeder vertrauen kann‘ bedeutet, das erreicht, wovon er nie zu träumen gewagt hatte. Statt weiterhin mit seinem Schicksal zu hadern, ist er endlich zufrieden mit sich: „Es gibt viele Hautfarben auf diesem Planeten, aber wer hat schon zwei davon in der Art und Weise wie ich? Ich bin einzigartig!“
Am 18. November kann man den liebenswerten Marokkaner um 0:00 Uhr auf Sat.1 im TV dabei zusehen, wie er sich der Agentur Misfit Models vorstellt.
Übrigens ist der ambitionierte junge Mann immer noch Single. „Während der Schulzeit wollte mich kein Mädchen“, nun wartet er einfach ab bis die Richtige kommt. Für seine Zukunft wünscht sich der Bachelor-Student „einen guten Abschluss, eine gute Arbeit und warum nicht auch eine Model-Karriere?!“