Barockfest Schloss Benrath 2016: Modische Zeitreise in die Vergangenheit
Wer sich am Wochenende ins Benrather Schloss begab, der konnte sich so manches Mal wie auf dem Filmset einer großen Mantel- und Degenproduktion vorkommen. Denn wohin man auch blickte, begegnete man preussischen Offizieren, feinen Damen im Panier und adligen Gentlemen mit grauer Zopfhaarperrücke.
Das dreitägige Barockfest, das in diesem Jahr vom 01.-03. Juli statt fand, lud Fans und Bewunderer historischer Epochen zu einer stilvollen Zeitreise ein.
Meine Highlights vom Barockfest 2016 im Schloss Benrath
Nach dem eindrucksvollen Empfang durch den Schlossherrn und Kurfürst Carl Theodor sowie seiner Gemahlin Elisabeth Auguste in Form von zwei freundlichen Service-Mitarbeitern, begegne ich einer Frau in einem dunkelbraunem Kleid mit Spitzenhäubchen. „Das Kleid habe ich selbst genäht und steht für eine gutbürgerliche Frau. Es ist aus Leinen-Material gefertigt, das es zu der damaligen Zeit schon gab.„, erklärt mir Petra Pakropa ihr Gewand.
Neben ihr steht Duc Philippe de Gramond alias Thomas Schneider, der ebenfalls sehr viel Wert auf Authentizität legt. Der Dermatologe ist sichtlich stolz auf sein Jagdkostüm. Als Mitglied der Hannoveraner Zeitreisenden präsentiert er auf zahlreichen historischen Veranstaltungen die Rokoko- und Barockzeit. „Alles ist von Hand genäht und entspricht der Mode zu Zeiten Friedrich des Großen. Damals trugen die Männer ihre Westen eng geschnürt bis zur Taille. Während des Essens musste ein Lakai von hinten unter den Gehrock schlüpfen, um die Schnürung zu lockern.“ Besonders bequem hört sich das aber nicht an.
„War es auch nicht“, bestätigt mir die vermeintliche Aristokratin Dr. Heidemarie Lyding-Lichterfeld vom Verein Jardin des Epoques, der sich um den Erhalt historischen Kulturguts vom Mittelalter an bis zur Jahrhunderwende bemüht. „Die Schnurbrust bestand zu jener Zeit aus Seide und Leinen und wurde mit Peddigrohr versteift. Da hatten es die normalen Frauen viel komfortabler.“
Galant präsentiert sie mir ihre Poschen, die feine Damen zu Picknick-Ausflügen statt Panier trugen, da sich diese käfigartigen Hüfterweiterungen sogar einklappen ließen. „Das ist besonders praktisch, wenn man sich auf einer Decke hinsetzen möchte. Und außerdem kann man darin alle möglichen Sachen verstauen.“
Wenn man ihren rosa Walletraum mit besticktem Oberteil anschaut, könnte man den Eindruck gewinnen, die Damen seien damals allesamt sehr züchtig unterwegs gewesen. „Von wegen! Die Brustwarze durfte stets ein wenig aus dem Dekolleté gucken. Und Unterwäsche gab es keine, so dass ein Flirt, der mit Fächersprache begann, schnell in einem Stelldichein in einer dunklen Schlossecke enden konnte.“
Oh là là, und da beschwere sich noch einer über das heutige Übel, wenn Tangas aus viel zu engen Hüfthosen quetschen. Für jede Epoche scheinen eben eigene Gesetze der Freizügigkeit zu gelten.
Ebenfalls vor Ort, die Traditionsgruppe Friderikus Rex (bezeichnet die preussischen Könige Friedrich I. und Friedrich II.), welche die preussische Variante der Barockzeit repräsentieren. Während bei den feudalen Franzosen die Anzahl der Knöpfe den Stand kennzeichnete, spielte bei den Preussen das Portopeet eine große Rolle, da dieses nur dem Offizier vorbehalten war.
Aufgrund des Waffenverbots auf dem Barockfest musste auf dieses Accessoire allerdings verzichtet werden. Der Vorsitzende Hansjörg Delhaas war dennoch eindeutig an seinem Stock als Offizier zu erkennen: „An diesem wurde das Portopeet normalerweise befestigt.“ Seinerzeit wurde dieses kostbare Utensil sogar an die Nachkommen vererbt.
Übrigens legten alle aristokratischen Damen und Herren Wert darauf nicht als „kostümiert“ oder „verkleidet“ bezeichnet zu werden. „Schließlich sind wir nicht beim Karneval, sondern sind wirklich so!„, erklärt mit Delhaas den Grund dafür.
Wer adlig war, arbeitete in der Regel nicht. Womit also beschäftigte sich die feine Gesellschaft den lieben langen Tag? „Unter anderem vertrieben sie sich die Zeit mit Majong„, erzählen mir fachkundige Experten von der Firma Spiel und Erlebniswelt aus Brandenburg, die im Schlossgarten jede Menge historische Spiele aufgebaut haben.
Majong ist ähnlich wie Memory, kann aber ebenso allein gespielt werden. Als besonders beliebt galten die „hängenden Kugeln“, in die kleine Bälle reingelegt werden. Wem es gelingt die meisten aufzuhäufen, ohne dass diese herunterfallen, hat gewonnen. Ein Mikado mit Kugeln, wenn man so will.
Weitere Highlights des Barockfestes: Die Gänsekapelle, bei der tatsächlich Gänse zu Trommelwirbel durch den Schlosspark spazierten und die zahlreichen Tanz- und Theateraufführungen von Jardin des Epoques.
Einziger Wermutstropfen war das Wetter. Immer wieder wechselten sich starke Regenfälle mit strahlendem Sonnenschein ab und gaben damit ein Sinnbild zur Unbeständigkeit der Zeit ab.
Weitere Bilder zum Barockfest Schloss Benrath 2016
Weitere Infos zum Barockfest gibt es auf der Webseite vom Schloss Benrath.