Wenn es um das Thema Boxen geht, sind meine Kenntnisse davon in etwa so groß wie von der chemischen Zusammensetzung der Mars-Oberfläche. Ein Grund mehr also, um dem Boxruf zum Bonner Telekom Dome zu folgen. Wer allerdings vermutet, dass das Publikum ähnlich wie bei Golf-, Tennis- oder Reitturnieren gestrickt ist, wird umgehend eines besseren belehrt. Hier ist der Place-to-be für Menschen, die sich keiner Werbezielgruppe zuordnen lassen. Passend zur verruchten Atmosphäre: der Dresscode der Boxen-Luder bestehend aus Pumps, Pelz und Perrücke. Bordellbesitzer Prinz Marcus, Gina-Lisa und Georgina runden das Bild der perfekten (TV-)Unterwelt vollends ab.
Pünktlich zur Geisterstunde beginnt der Kampf. Kay One, der nach der DSDS-Aufzeichnung eigens angereist ist, um seinem Freund Manuel Charr zu unterstützen, versetzt den Saal mit fetzigen Hipp-Hopp-Beats in Stimmung. Der Boxer selbst erscheint in einem Gladiatoren-Kostüm, bei dessen Anblick Kleopatra verzückt den Daumen hoch gehalten hätte. Manuel weiß eben, wie man seine Gegner(innen) schafft.
Mit Kevin Johnson, der 2009 zwar gegen Box-ChampionVitali Klitschko verlor, aber immerhin alle 12 Runden durchgestanden hatte, was erst einem Boxer zuvor gelungen war, hatte sich der 29-jährige Kölner wahrlich keinen leichten Gegner ausgesucht. In den folgenden 10 Runden nahm er jede Gelegenheit wahr, um aus defensiver Position heraus mit flinken Schlägen auf den Amerikaner einzudrischen. Neben außerordentlichen Wegsteck-Qualitäten, bewies der behäbige Hüne aber ebenso Humor. Mehr als einmal sorgte Kevins provokanter „War das schon alles?“-Blick sowie ein vorgetäuschter Schwindelanfall für Lacher im Saal. Die Szenerie erinnerte stellenweise an eine Persiflage von David und Goliath. Dass allerdings Fairness und Sportgeist an oberster Stelle standen, bewies nicht zuletzt die Highfive-Geste, die sich beide regelmäßig in den Rundenpausen gaben. Wer jedoch den Sieg davon tragen würde, blieb bis zur letzten Sekunde unklar.
Mit nur wenigen Punkten Vorsprung ging schließlich Manuel Charr als Gewinner aus dem spannenden Duell hervor. Als er bei der anschließenden Verkündung den Arm seines Gegner mit in die Luft hob, flogen ihm auch noch die letzten Herzen der Arena zu. „Seht her, wir haben beide gewonnen!“, schien er in den Saal zu rufen.
In einer rührenden Laudatio plädierte der Libanese, der seinen Vater im Krieg verlor auf „das Recht an seine Träume zu glauben“. Wenn es nach seinen eigenen ginge, würde der beHERZte Boxer gern sein Können erneut im Kampf gegen den mittlerweile emeritierten Klitschko unter Beweis stellen. Möge die Schlacht mit ihm sein!